Informationsethik: 01/2007

31 Jänner 2007

Ethische Herausforderungen im Informationszeitalter

Informationsethik-Konferenz in Pretoria

Vom 5. bis zum 7. Februar 2007 findet in Pretoria, Südafrika, die erste panafrikanische Informationsethik-Konferenz zu den Auswirkungen der neuen Informations-Technologien auf afrikanische Kulturen und Gesellschaften statt. Die "Africa Information Ethics Conference" wird von der University of Pretoria, der University of Wisconsin-Milwaukee und der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart, vertreten durch das International Center for Information Ethics, ICIE, mit HdM-Professor Rafael Capurro organisiert.

In den letzten Jahren entstand Informationsethik als neue Disziplin, um die moralischen Fragen zu beantworten, die sich aus der global noch nie dagewesenen Anwendung der neuen Informationstechnologien auftun. Alte Begriffe aus Recht und Werte-Systemen erfassen nicht mehr die Realität, die sich schnell neu strukturiert.


Die Informationsethik beschäftigt sich mit Fragen, die sich aus der Globalisierung und globalen Vernetzung von Informationen und Kommunikation der letzten zehn Jahre ergeben:
- Ob und in welcher Form Eigentumsrechte an Informationen geltend gemacht werden können,
- dem Freien Zugang zu Informationen (Informationsfreiheit)
- der Überwindung einer digitalen Kluft zwischen Personen mit und ohne Zugang zu Informationen,
- der informationellen Selbstbestimmung und der Wahrung der Privatsphäre angesichts wachsender Möglichkeiten der Überwachung (Datenschutz)
- und der Beschränkungen der Verbreitung von Informationen (Jugendschutz, Zensur).

Schwierig wird eine weltweite Abstimmung über den Stellenwert dieser Fragen durch die verschiedenen Rechtsauffassungen der Staaten, die wirtschaftlichen Interessen der multinationalen Firmen, und die Interessen der BürgerInnen.

In den USA beispielsweise entwickelte sich die Datenschutz-Rechtsprechung unter anderem aus einem Verbot des "unbefugten Betretens" heraus. Eigentumsrechte waren es, auf die sich die ersten Kläger gegen fremde Lauscher beriefen. Erst als deutlich wurde, wie wenig das Eigentumsrecht dazu imstande war, den Schutz innerhalb der eigenen vier Wände zu sichern, wurde im achtzehnten Jahrhundert "Belauschung" als ein vom unbefugten Betreten unabhängiges Delikt anerkannt. Auf ähnliche Weise wurde in Deutschland vor zwanzig Jahren das damals völlig neuartige Recht auf "informationelle Selbstbestimmung" geschaffen - aus der Erkenntnis heraus,dass den Risiken der Informationstechnologie nicht mehr länger allein durch die allgemeinen Bestimmungen des Grundgesetzes begegnet werden konnte.

Diese und ganz neue Fragen entstehen für die Entwicklungsländer und vor allem für Afrika. Hier geht es vor allem um Digital Divides, Armutsbekämpfung, Aufklärung über Vorbeugung und Bekämpfung von Krankheit, Zensur und Überwachung, freien Zugang und Lizenzgebühren für Software.

Die südafrikanische Regierung und die UNESCO unterstützen die Konferenz. Rund 100 geladene Gäste aus etwa zwanzig afrikanischen Ländern, 30 Wissenschaftler aus Europa, den USA, Kanada, Indien und Lateinamerika sowie Studenten der University of Pretoria nehmen daran teil. Eröffnet wird die Konferenz von Thabo Mbeki, Präsident Südafrikas. Vertreter der African Union (AU) und der NEPAD (New Partnership for Africa's Development) sowie zahlreiche Politiker aus afrikanischen Ländern werden erwartet.

Hauptthemen der Konferenz sind “Bausteine der afrikanischen Informationsethik”, “Kulturelle Unterschiede und Globalisierung” oder “Entwicklung und Armut”. An den ersten beiden Tagen stehen die wissenschaftlichen Aspekte im Vordergrund.
Am letzten Tag geht es um die politische Umsetzung informationsethischer Themen in verschiedenen Ländern Afrikas. Auf der Konferenz soll eine Einigung über die „Tshwane Declaration on Information Ethics in Africa“ als Beitrag Afrikas zur vorgesehenen UNESCO Deklaration über Informationsethik erzielt werden. Darüber hinaus soll die "Information Ethics Society of Africa" (IESA) gegründet werden, sowie der "Information Society and Development Advisory Council" als Beratungsgremium des südafrikanischen Präsidenten. Außerdem sollen ein akademisches afrikanisches Informationsethik-Netzwerk aufgebaut werden sowie internationale Projekte in Zusammenarbeit mit der University of Wisconsin-Milwaukee und der HdM anlaufen.

HdM-Professor Rafael Capurro spricht in seinem Konferenzbeitrag über "Information Ethics for and from Africa". Eine Auswahl der Konferenzbeiträge wird voraussichtlich in deutscher Übersetzung als Buch veröffentlicht.


Quelle:
HdM-News vom 22.01.2007

africainfoethics.org