Informationsethik: Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung fertig zur Begutachtung

16 September 2009

Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung fertig zur Begutachtung

Auch Bibliotheken speichern - was passiert mit LeserInnen- und MitarbeiterInnen-Daten ?

Nach einer im April dieses Jahres von der EU-Kommission eingebrachten Klage gegen Österreich wegen Nichtumsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ist jetzt der Gesetzesentwurf für Data-Retention fertig.
Das Wiener Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte war mit der Erarbeitung eines solchen Entwurfs beauftragt und hat ihn am Freitag, 11.9. zur Begutachtung und Umsetzung an das Infrastrukturministerium übermittelt.

Einführung frühestens 2010
Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) hält an ihrem Plan fest, die Vorratsdatenspeicherung frühestens Anfang 2010 umzusetzen. Die Ministerin spricht sich außerdem - im Gegensatz zum früheren Innenminister Platter, der alle Daten mindestens 2 Jahre speichern wollte - erneut für eine sechsmonatige Speicherdauer der Daten aus, die von der EU vorgegebenene Mindestspeicherdauer.

Intensive Gespräche mit Experten
Eine Expertengruppe unter Federführung des Boltzmann-Instituts für Menschenrechte arbeitet seit Februar an einem Gesetzesentwurf, der allen datenschutzrechtlichen und rechtsstaatlichen Standards und Erfordernissen gerecht werden soll. Seit der Vergabe des Auftrags haben drei offizielle Roundtables und intensive Gespräche durch das Institut mit Betreibern, NGOs, den Sozialpartnern sowie dem Rechtsanwaltskammertag, den beteiligten Ministerien, dem Datenschutzrat, Vertretern der österreichischen Richtervereinigung und der Datenschutzkommission stattgefunden.

Das an die 100 Seiten umfassende Papier umfasse den Gesetzesentwurf, eine umfangreiche Erläuterung sowie eine Dokumentation zum Entstehungsprozess des Gesetzes mit den verschiedenen Positionen der Parteien. Im nächsten Schritt werde der Entwurf vom Infrastrukturministerium selbst, dem Innen- sowie dem Justizministerium und dem Bundeskanzleramt geprüft. Erst danach könne das Gesetz in die Begutachtung gehen.
(Zitat: ORF.at - futurezone)

Die EG-Richtlinie zur Data-Retention verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten zum Erlass von Gesetzen, die die Provider – also in der Konsequenz auch Bibliotheken als Institutionen, die das Internet zur freien Nutzung zur Verfügung stellen - dazu zwingen, alle Internet-Verkehrs- und Handystandortdaten – im Falle von Bibliotheken die Daten der Leser - über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zu speichern und Strafverfolgungsbehörden zur Terrorabwehr zur Verfügung zu stellen.

Ohne Anlass werden die Daten von Millionen gänzlich Unverdächtigen gespeichert, die, wenn sie ausgewertet werden, ein genaues Bewegungs- und Sozialprofil der Einzelnen ergeben können.

Aktionstag Freiheit statt Angst am 11.9.09 – in Deutschland und Österreich
Zur Demonstration rief in Deutschland ein sehr großes Bündnis - bestehend aus Naturschutzverbänden, Bürgerinitiativen, Berufsverbänden und Gewerkschaften. Dazu kamen einige Bundes- und Landesverbände der Grünen und der »Linken« und auch der FDP, allen voran die Piratenpartei.
In Österreich fiel die Kundgebung der Interessen der Datenschützer viel kleiner und diskreter aus – immerhin: an 3 Informationsständen in Wien, Innsbruck und Graz wurden Menschen über die immer größer werdende Gefahr eines Überwachungsstaates aufgeklärt. Der Informationsstand in Wien mit 15 Leuten, sehr dezentral - vor der Millenium City - hatte dort immerhin starken Zulauf und konnte über 5000 Flyer in 10 Stunden verteilen und zahlreiche Menschen über die geplanten Überwachungsmaßnahmen aufklären.


Zum ArbeitnehmerInnen-Schutz die deutsche Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
„Wir haben von Datenmissbrauch, vom Ausspionieren durch Arbeitgeber und Anteilseigner die Nase voll. Eine wirksame Vertretung von Arbeitnehmerinteressen braucht einen rigorosen Datenschutz“, sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske. Dieser regte an, den Beschäftigten künftig ein umfassendes Recht auf Einsicht in und Auskunft über betriebliche Datensammlungen zu gewähren. Gleichzeitig sei ein Verbot der Überwachung elektronischer Kommunikation von Arbeitnehmern ebenso wünschenswert wie der umfassende Schutz ihrer Kommunikationsdaten. ver.di werde in das anstehende Gesetzgebungsverfahren weitere Vorschläge einbringen.
[….]

Quellen
Jungle World Nr. 37, 10.9.09
ORF online Futurezone
http://www.piratenpartei.at/
http://www.freiheit-statt-angst.org/

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